INTERVIEW „Jamaram“ über Rockstar-Klischees und die Liebe zum kleinen Habacher Live-Club

„Wir sind hardcore-Village-fans“

Habach – Es wird heiß Anfang März im Habacher Village, so viel steht fest: „Jamaram“, bekannt für schweißtreibende Reggae-Afrobeat-Hip-Hop-Shows voller Lebensfreude, gibt gleich zwei Konzerte in Folge in diesem Live-Club, der zu den Lieblingsplätzen der weit gereisten Band zählt. Warum das Village ein ganz besonderer Ort für „Jamaram“ ist, erzählt Bassist Benni Beblo im Interview

 

Foto: JAMARAM

VON MAGNUS REITINGER

„Jamaram“ gab schon weit über 2000 Konzerte in über 20 Ländern … Was macht ihr, dass nicht bloße Routine draus wird? Wie erhaltet ihr euch die Freude am Livespielen?

Es ist wirklich jede Show anders. Anderer Ort, andere Menschen, andere Zeit. Nicht jedes Konzert gerät gleich gut, wieder andere fühlen sich dafür wie das Beste an, was man je erlebt hat. Das bleibt immer spannend. Im Moment müssen wir uns sauhart zusammenreißen, dass wir während der zwei Stunden Konzert mit dem nigelnagelneuen Programm nicht Schiffbruch erleiden und vergeigen. Da sind so viele neue Dinge im Vergleich zum Vorgängerprogramm, die jetzt anders passieren, dass man wirklich auf Zack sein muss und hellwach. Sonst geht’s gerne mal schief und das mag man sich selbst und dem Publikum sehr gerne ersparen. Wenn man dann so eine neue Show einige Male gespielt hat, bekommt man mit der Zeit den Kopf immer mehr frei und hat dann die Möglichkeit, ganz unverkrampft miteinander zu musizieren, was ein Hochgenuss ist, wenn es gelingt. Was man als Musiker auf einem gelungenen Konzert vom Publikum zurück kriegt, ist unbeschreiblich, und danach sind „Jamaram“ definitiv süchtig.

Ihr spielt auf Festivals teilweise vor tausenden Fans – was zieht euch andererseits in kleine Clubs wie das „Village“? 

Alles ist auf seine Art unfassbar geil. Vor Tausenden auf einer Monster Bühne in den Sonnenuntergang zu spielen, fühlt sich spitzenmäßig an. Vor einem erlesenen Kreis Hartgesottener im winzigen Club bei maximaler Eskalation kommt mindestens genauso gut. Der ganz direkte Draht zu den Leuten, die nur 30 cm von dir weg am Tanzen sind und die mit jeder Faser zu 100 % dabei sind – wie immer im Village! – , das kannst du dir mit Geld nicht kaufen. Wir empfinden es als Privileg, so schöne Dinge erleben zu dürfen.

So oft, wie ihr schon hier wart: ist das „Village“ ein besonderer Ort für euch?

Ja, das Village ist ein besonderer Ort, nicht nur für uns, sondern ganz generell. Wir sind jetzt seit bald 25 Jahren mit „Jamaram“ on the road und haben jede Menge gesehen und erlebt. Wir haben Moden, Bands und Auftrittsorte kommen und gehen gesehen. Die Art Subkultur, die im Village gepflegt wird, gehört leider zu einer immer seltener werdenden Kulturform, die definitiv vom Aussterben bedroht ist. Solche Orte werden immer seltener. Uns als Band bedeuten diese speziellen Orte aber alles, die Leute da sind für uns Seelenverwandte, die machen das, weil es ihnen was bedeutet, weil es für sie wichtig ist, weil sie es wollen und müssen. Zudem haben wir auch ganz persönlich einen Bezug: Erstens hat man uns von Anfang an und schon immer unterstützt und auftreten lassen. und Village – Gründer Dieter Uebler hat Gitarren für uns gebaut, die wir lieben. Wir sind schlicht Hardcore – Village – Fans.

Diesmal gibt es gleich zwei Konzerte in Folge. Fahrt ihr dazwischen heim, oder genießt ihr lieber einen freien Tag im Pfaffenwinkel?

Wir fahren heim in andere Dörfer im Pfaffenwinkel und Fünf – Seen – Land, wo wir mit unseren Familien leben. Ist nicht weit… Freie Tage gibt es in Jamarams Welt keine.

Was ist eigentlich das Glamouröseste am Rockstar-Leben à la „Jamaram“?

Ach, da wird viel romantisiert von außen. Meistens ist es ziemlich unglamourös. Beispielsweise fährt man stundenlang Auto und hat dann zweimal am Tag so eine Art „Umzug eines mittleren Hausstandes“ zu erledigen. Pressieren tut es immer. Sehr glamourös fühlt sich für mich persönlich immer der Moment an, wenn die Leute nach dem regulären Konzert Ende eine Zugabe verlangen und dem lautstark Ausdruck verleihen.

Auf der anderen Seite: schon mal die Nase voll gehabt vom Musikerleben und stattdessen nach einem geregelten Schreibtisch – Job gesehnt?

Das ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Shit happens on the road und es gibt natürlich Situationen, die einen stark zweifeln lassen. Aber das gilt, denke ich, für jeden Beruf. Ich für meinen Fall habe mir bisher aber eigentlich immer nur noch mehr Konzerte und Tourbetrieb gewünscht. Wir sind alle multiple Familienväter, Jamaram ist ein extrem kinderreiche Band, entsprechend heftig sind die familiären Verpflichtungen. Da fühlt sich so eine gepflegte kurz Tour an wie „Tourlaub“. Sehr beliebt bei allen Beteiligten.

Falls jemand noch nie was von „Jamaram“ gehört hat: wie erklärt ihr ihm eure Musik?

Die Band steht für Frieden, Weltoffenheit und Respekt, gegen Krieg, Intoleranz und Abschottung. Ohne Grenzen und Mauern – bunte Vielfalt und Lebensfreude, im echten Leben wie in der Musik. Die Liveshow bietet bassheavy Modern Roots, Dubwise, Afro Beat, Hip-Hop und Urban Grooves, es geht massiv in die Beine, Sauna und Eskalation garantiert. Für die Birne und zur Erholung gibt es dann noch die ein oder andere heartbreaking Ballade und intelligentes Songwriter Storytelling.

Eure Konzerte sind legendär. Wie erklärt ihr euch eigentlich, nicht ständig im Radio zu laufen?

Ach, so ein bisschen laufen wir schon im gut kuratierten Kulturradio, beispielsweise im hervorragenden Bayern 2, für das wir alle dankbar sein sollten. Wir kennen nicht nur fast jeden Live Club in Deutschland, sondern auch fast alle Radiostationen, zwecks weitem Rumkommen in stundenlangen Autofahrten. Bayern 2 ist da ganz vorne mit dabei. Sehr bedauerlich, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk derzeit politisch unter Druck gerät. Mit der Schnelllebigkeit und Massenkompatibilität des Formatradios haben wir nur wenig am Hut. Passt also schon. Zudem ist es so, dass Jamarams schokoladigste Schokoladenseite definitiv der Live-Auftritt vor begeisterungsfähigen Menschen ist. Da kommen unsere Stärken am besten zu Geltung.

Wie soll das alles weitergehen mit „Jamaram“?

Wir machen uns keinen Druck. Wir empfinden es als Geschenk, dass wir nach so vielen Jahren immer noch mit unserer Musik touren können und immer noch und immer mehr Menschen zu unseren Konzerten kommen. Konkret veröffentlichen wir jetzt im Frühjahr eine LP namens „Morning“, die wir gemeinsam mit unserem Langzeit-Homie und Reggae-Veteran Jahcoustix gemacht haben. Dazu wird es ein riesen Konzert geben am 25. April im Backstage – Werk München. 2025, wohl im Herbst, gibt es dann wieder ein klassisches Jamaram – Album, an dem wir bereits arbeiten. Live präsentieren wir die Programme „Jamaram Classik“ – Originalbesetzung mit Tom Lugo, wie im Village –, „Jamaram meets Jahcoustix“ und ein unplugged Programm. Wegen mir kann es ewig so weitergehen, momentan ist glücklicherweise kein Ende in Sicht.

Das „JAMARAM“-Konzert

am Samstag, 9. März, im Habacher Village ist bereits ausverkauft. Karten gibt es noch für die Zusatzshow am Freitag, 8. März, um 20:15 Uhr – unter www.village-habach.de.

Der Artikel von Magnus Reitinger erschien im Münchener Merkur am 22. Februar 2024